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70 Rechtsprofessoren kritisieren Kriegsmaterial-Bewilligungspraxis

Die Schweiz hat kein wirkungsvolles Regime für Rüstungsexport-Kontrollen: 70 Rechtsprofessoren und Rechtsprofessorinnen werfen dem Bundesrat Missachtung der schweizerischen Gesetzgebung vor.

Im Dezember 2008 hat der Bundesrat eine revidierte Verordnung über den Export von Kriegsmaterial in Kraft gesetzt. Diese verbiet den Export unter anderem in Staaten, die „in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sind“ oder in Staaten, welche „die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen“. Die aktuellen Exportstatistiken zeigen jedoch, dass Länder wie Pakistan, Indien, aber auch die USA und Saudi-Arabien weiterhin mit Waffen beliefert werden.

Siebzig Rechtsprofessoren und Rechtsprofessorinnen haben den zuständigen Stellen – Frau Bundesrätin Leuthard, dem Seco und der Direktion für Völkerrecht – in der vergangenen Woche einen offenen Brief zukommen lassen. In diesem Brief erklären die Unterzeichnenden, dass Exporte in diese Länder ihrer Auffassung nach mit der revidierten Verordnung nicht vereinbar seien.

Die 70 Professoren und Professorinnen vertreten sämtliche Rechtsfakultäten der Schweiz. Unter ihnen befinden sich zahlreiche der profiliertesten Expertinnen und Experten für Staatsrecht und Völkerrecht der Schweiz.

Der Brief entstand in Zusammenarbeit zwischen den Professoren Marco Sassòli und Daniel Thürer, Professorin Helen Keller und Evelyne Schmid, Doktorandin in Völkerrecht in Genf.

Prof. Dr. Marco Sassòli, Professor für öffentliches internationales Recht an der Universität Genf: "Die Unterzeichnenden des offenen Briefes haben sich zusammengetan, damit die Schweiz aufhört, ihre eigene Gesetzgebung zu missachten, indem sie den Begriff des bewaffneten Konflikts nach Gutdünken interpretiert. Der Bundesrat hat den Begriff des bewaffneten Krieges umdefiniert, um in mehr Länder exportieren zu können."

Prof. Dr. Helen Keller, Professorin für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich: "Die letzten Monate haben es deutlich gemacht: In einer immer stärker globalisierten Welt wird von der internationalen Gemeinschaft durchaus registriert, wie sich die Schweiz verhält. Die Handlungen im Innern haben Auswirkungen auch auf das Aussenverhältnis und damit auf das Image der Schweiz im Ausland. Deshalb liegt es in unserem eigenen Interesse, das Kriegsmaterialgesetz und die entsprechende Verordnung im Geist der völkerrechtlichen Vorgaben auszulegen und strikt anzuwenden."

Evelyne Schmid, Doktorandin in Völkerrecht in Genf: „Die Kluft zwischen Gesetzgebung  und Bewilligungspraxis zeigt, dass die Schweiz über kein wirkungsvolles Regime für Kriegsmaterialexporte verfügt.“

Der offene Brief im Wortlaut

Die Liste der UnterzeichnerInnen

Ein erster Bericht erschien heute Sonntag in der NZZ am Sonntag.

Eine ausfühliche Beschreibung der juristischen Sachverhalte findet sich im Plädoyer 5/09.

Kommentare

Kriegsmaterial Bewilligungspraxis

Nun, wenn soviele Rechtsprofessoren dieser Ansicht sind, dann lasst uns doch klagen...

schön wärs

leider kann man das in der Schweiz nicht...es gibt kein Gericht, welches dafür zuständig wäre. Immerhin wird jetzt die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission den Fall untersuchen. Aber das wird noch ein paar Monate dauern.